Kommentar: Wechselkurs Euro / CHF – wohin führt das?
Seit geraumer Zeit treibt und prägt insbesondere die grenznahen Detailhändler die Wechselkursproblematik zwischen Euro und Schweizer Franken. Schweizer Konsumenten stürmen die grenznahen deutschen Städte. Ich selbst, auch Deutscher, aber wohnhaft in der Schweiz, wollte neulich an einem Mittwoch mit meiner Frau „kurz“ nach Konstanz, da wir in der Nähe waren. Sofort nach Grenzübertritt erblickten wir die lange Schlange an Personenwagen vor uns – alle hatten Schweizer Kontrollschilder. Die Einschätzung der Situation war schnell gemacht. Um von der Grenze auch nur annähernd in die Nähe eines Parkplatzes zu gelangen, wären mindestens 60 Minuten nötig gewesen. Die Entscheidung in dieser Situation war klar. STOPP – ABBRUCH – ZURÜCK.
Einige Zeit später in Kloten. Ich komme von einer Reise zurück und warte am Kofferband auf meinen Koffer. Am Ausgang für Ankommende mit zu verzollenden Waren, an dem sonst nie jemand steht, herrscht reger Verkehr.
In diversen Gesprächen habe ich versucht herauszufinden, was die Menschen in solchen Situationen treibt, und was sie konsumieren, und insbesondere warum. Das Ergebnis ist ernüchternd.
Aufgrund des Wechselkurses, und hier bin ich auch auf die Herbstreisewelle gespannt, werden längere bzw. teurere, gerne insbesondere Fernreisen gebucht. Man geht in bessere Hotels und kauft im Ausland vor Ort diverse Dinge ein, die man vielleicht gar nicht braucht, aber sie sind ja billiger als zuvor. In den deutschen Grenzstädten ist es ähnlich. Es werden Dinge gekauft, die man entweder gar nicht, oder vielleicht erst irgendwann kaufen wollte. Der Wechselkurs verleitet scheinbar zu einem ungesunden Konsumverhalten.
Welche Auswirkungen kann das auf die Schweiz haben? Die Antwort ist recht einfach. Die Schweiz hat im europäischen Vergleich sicherlich etwas höhere Preise, da diese auch direkt mit den Lohnkosten und sonstigen Lebenshaltungskosten zu tun haben. Das System der Schweiz sieht aber vor, dass niedrige Steuern und eine dem System entsprechend gestaltete Altersversorgung zu einem höheren verfügbaren Einkommen führen. Das System, gestützt durch die Binnennachfrage und sicherlich auch noch weitere Aspekte, führt dazu, dass die Arbeitslosenquote auch auf niedrigem Niveau liegt. Geht man mit dem gesunden Menschenverstand heran, wird einem ziemlich schnell klar, dass niedrige Steuern und im europäischen Verhältnis höheres Einkommen und niedrige Arbeitslosigkeit nur dann gewährleistet werden können, wenn der Wirtschaftskreislauf der Schweiz auch aufrecht erhalten wird. Der Konsument muss sich einfach fragen was ihm lieber ist – niedrige Steuern, ein gut bezahlter Arbeitsplatz und dafür im Gegenzug etwas höhere Preise oder niedrigere Preise, dafür aber latent die Gefahr, von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein. Man muss sich einfach mal überlegen was mit den Schweizer Arbeitsplätzen passiert, wenn die in der Schweiz produzierten Produkte nicht mehr verkauft werden können. Kurzfristig mag es sicherlich vorteilhaft sein für den jeweils Einzelnen sein „hart verdientes Geld“ im Euroraum auszugeben, wo man ja „so viel mehr“ dafür bekommt. Man darf aber nie vergessen, dass man bei einem solchen Vorgehen mit seiner eigenen Zukunft spielt, und sollte sich dann auch nicht aufregen, wenn die Steuern irgendwann in der Schweiz steigen und wenn die Arbeitslosigkeit zu steigen beginnt.
Der Schweizer Detailhandel in Grenznähe leidet. Das ist spürbar. Mit meinen Kunden spreche ich regelmässig über dieses Thema. Neulich auch darüber, ob man nicht eine Anzeigenkampagne machen sollte in einer deutschen Zeitung und die deutschen Konsumenten in die Schweiz lockt. Ganz bewusst vor dem Hintergrund der Qualität und der Möglichkeit in Ruhe einzukaufen.
Am Freitag, 30.09, blättere ich durch die deutsche Tageszeitung „SÜDKURIER“. Was sehe ich? Eine ganzseitige Anzeige der MIGROS, die in einer hervorragenden Art und Weise argumentiert, warum Verbraucher zur MIGROS kommen sollen um Schweizer Brot zu kaufen. Qualität, Vielfalt, schnelle Erreichbarkeit, Tradition, Leistungsversprechen, Produktherkunft, Kundennähe. Und vor allem – kein einziges Wort über einen Preis.
Ein aus meiner Sicht ausserordentlich gelungener Umgang mit dem Thema, der hoffentlich viele deutsche Konsumenten dazu bewegt, einen Ausflug in die Schweiz zu machen und mal selbst bei kleineren Einkäufen in keinem Stau vor Parkhäusern oder an der Kasse zu stehen.
Persönlich erachte ich diese Herangehensweise als nachahmenswert, auch für andere Branchen.
Wenn weitere Branchen sich diesem Beispiel anschliessen, und sich mal wieder daran erinnern wofür die Schweiz steht, dann kommen da ganz viele Aspekt zum Vorschein, die nicht nur für Schweizer Konsumenten, sondern auch für deutsche Konsumenten wichtig sind. Wenn im Ergebnis die Leistung honoriert wird, egal woher die Konsumenten kommen, dann ist allen gedient. In Zeiten wie diesen ist Kreativität gefragt.
Für einen kritischen Gedankenaustausch zu diesem Thema stehe ich Ihnen wie immer jederzeit gerne zur Verfügung. Anderer Meinung zu sein ist nicht schlimm – wesentlich ist, dass man eine hat.
Freundlichst
Ihr
Thomas Fischer
Danke für die differenzierten Gedanken zu einem Thema, das entsprechend meiner Beobachtung in den letzten Tagen alltäglich und mit sehr viel Halbwissen diskutiert wird. Letzte Woche war ich als Expertin an einer Berufsprüfung für das Fach Volkswirtschaftslehre tätig. Da war natürlich auch die Thematik der Mindestpreissetzung des Frankens gegenüber dem Euro ein willkommenes Thema. Mich erstaunte folgendes: auf die Frage, was diese Festsetzung für eine Wirkung haben könnte, antworteten eine Vielzahl der Kandidaten, dass nun weniger Leute ins Ausland einkaufen gehen werden. Offenbar schätzen sie die Elastizität nach Auslandgütern recht hoch ein und vergessen, sowohl die Unterschiede der Kaufkraft wie, dass ein Kurs von 1.20 immer noch deutlich tiefer liegt als die Jahre vorher.
Was mich persönlich am Sachverhalt stört und mir als gesellschaftliches Phänomen, auch in anderen Bereichen auffällt ist, dass der Spruch „Zeit ist Geld“ wohl keine Gültigkeit mehr hat. Haben die Leute keine Opportunitätskosten, wenn sie im Stau stehen, an der Kasse warten müssen? Die Opportunität während dieser Zeit ein Buch zu lesen, spazieren zu gehen, mit den Kindern zu spielen oder sonst etwas Genüssliches zu tun, scheint keinen Wert zu haben. Diese Tendenz bedauere ich.
Guter Blog, gefaellt mir sehr. Auch interessante Themen.
Ich darf mich dem Lob bezüglich der Qualität des Beitrags anschliessen. Wir sind mehrmals im Jahr in Deutschland. Dann wird auch eingekauft. Insbesondere Drogerieartikel, die dann wochenlang halten. Pflanzenseife in Deutschland ist ein Cent-Artikel, in der Schweiz ein Luxusartikel. Oder ich kenne die richtige Quelle nicht. Dass die Migros ausgerechnet Deutsche zum Brotkauf in die Schweiz locken will, finde ich lustig. Die Hauptklage der mir hier bekannten Deutschen betrifft das Brot. Schweizer Brot ist für die meisten eine Zumutung, und auch ich bevorzuge Sauerteigbrot, wie ich es vor allem aus deutschen Landen kenne. Es ist dunkel, saftig, lange haltbar. Und es hat ein bestimmtes Gewicht. Nichts wiegt schwerer als gutes Brot.
Mich persönlich stimmt das sehr nachdenklich. Ich rede hier als Privatperson. Seit ich denken kann, kaufe ich ausschliesslich in der Schweiz ein, egal ob Lebensmittel, Möbel, Geräte, Fachartikel usw. Nicht jetzt aus Prinzip, sondern eher…ich kann es nicht mal richtig erklären, ich wohne hier, ich arbeite hier…ich kaufe auch hier ein. Vielleicht ist es aber auch die Gewohnheit, das Vertraute…Oftmals werde ich kopfschüttelnd angesprochen, warum kaufst du die teuren Sachen hier ein, in Deutschland bekommst du alles viel billiger. Es klingt manchmal schon fast wie ein Vorwurf…
Die Frage ist, warum sollte ich? Ich brauche kein Auto, habe keinen Stress, schone meine Nerven, ist das nicht schon Grund genug? Ich habe hier alles, was es zum Leben braucht. Eine Migros, einen Volg, diverse kleine Läden für Spezialitäten.
Ich nehme mein kleines „Oma-Wägelchen“ (so nenn ich den:-)) und kann den bequem mit meinen eingekauften Sachen hinterherziehen.
Klar, die Preise sind höher, aber ist es nicht so, dass die immer gleich hoch oder niedrig sind (ausser vielleicht Teuerungsausgleich, ist aber auch ein Bestandteil unseres Lohnes). Der Unterschied ist der Kurs. Also je nach Kurs soll ich dann hier oder eben in Deutschland einkaufen? Das tu ich mir nicht an…dann müsst ich jetzt auch noch die Kurse überwachen, ob es sich lohnt.
Ich habe nicht den Eindruck, dass ich deswegen finanziell leiden muss, unsere Löhne sind ja auch dem Schweizermarkt angepasst. (Die meisten jedenfalls.)
Ich kann es nicht beurteilen, aber spart man wirklich so viel ein? Es ist ja nicht nur das Geld. Wenn ich lese, dass ich Stunden brauche, nur weil ich keinen Parkplatz finde oder mich in den Läden „durchboxen“ muss. Die Nerven müssen ganz schön hart sein, das ist ja Dauerstress…wenn ich da nur schon alleine ans Zoll denke. Und nicht zu vergessen, die Benzinkosten und auch unsere Umwelt. Ist es das wirklich wert?
Ich mache immer samstags meinen Wocheneinkauf. Unter der Woche schreibe ich auf, was ich (wirklich) benötige und so komm ich sehr gut zurecht. Ich brauche höchstens 30-45 Minuten und kann so die restliche Zeit für mich nutzen. Ich darf gar nicht daran denken, halbe Tage zu verschenken, nur weil ich ein paar Franken einsparen will.
Brauch ich mal was, das ich hier nicht bekomme, sammel ich ein paar „Wünsche“ zusammen, bis es sich lohnt, nach Schaffhausen oder Frauenfeld zu fahren. Dann wars das aber auch schon wieder für eine Zeit.
Es gibt ganz wenige Sachen, die ich aus Deutschland habe (z.B. Remoulade, ich liebe sie:-)) die gibt es in der Schweiz nicht. Aber mein Vorteil ist, dass ich einen Bruder in Nürnberg habe, der ab und an mal zu Besuch kommt. Er bringt mir die mit und ich kauf ihm dann Spezialitäten aus der Schweiz.
Für mich ist das immer etwas Besonderes und ich geniesse diese, weil sie ja nicht „alltäglich“ ist. Würd ich das selbst immer wieder einkaufen gehen, wärs nicht mehr besonders.
Wenn ich nun den Text von Herr Fischer lese (übrigens super geschrieben!), wird mir erst bewusst, dass ich damit ja auch etwas für den Schweizermarkt tue. Vorher hab ich nie darüber nachgedacht, es war für mich klar, aber es macht einem schon nachdenklich. Nun habe ich noch einen zusätzlichen Grund, warum ich so weitermache.
Ich möchte hier niemanden verurteilen oder zu nahe kommen, der in Deutschland einkauft. Das ist schlicht meine Meinung. Jedem so wie er will. Jedoch sich einmal Gedanken machen, wie sich das Ganze auf unsere Zukunft auswirkt, ich denke das lohnt sich auf jeden Fall.
Herzliche Grüsse
Roswitha Otth